Die Meggle Holding SE zählt zu den traditionsreichsten Molkereiunternehmen Deutschlands. 1887 gegründet, entwickelte sich das Unternehmen unter der Leitung von Toni Meggle zu einem internationalen Markenanbieter im Bereich Butter, Käse, Backwaren und Milchveredelung. Doch wie so viele andere Familienunternehmer stellte sich auch Toni Meggle in den letzten Jahren eine zentrale Frage: Wie lässt sich ein Lebenswerk langfristig sichern, ohne es an Finanzinvestoren oder zersplitterte Erbengemeinschaften zu verlieren?
Die Antwort war klar, aber nicht einfach: Eine Stiftung.
Im Jahr 2023 übertrug Toni Meggle die Anteile an der Meggle-Gruppe vollständig in eine privatnützige Stiftung – die Toni-Meggle-Stiftung. Damit wurde aus einem familiengeführten Unternehmen eine institutionell verankerte, wertegebundene Eigentumsstruktur mit explizitem Fortführungsauftrag.
Im Unterschied zu gemeinnützigen Stiftungen, bei denen die Mittel ausschließlich einem sozialen oder wissenschaftlichen Zweck dienen, verfolgt die Toni-Meggle-Stiftung ein unternehmenssicherndes Ziel: Erhalt und Entwicklung der Meggle-Gruppe unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit und strategischen Unabhängigkeit.
Laut öffentlich zugänglichen Quellen (u. a. Pressemitteilungen, Branchenberichte) umfasst das Stiftungsziel:
Die Stiftung fungiert dabei als alleinige Gesellschafterin der operativen Holding – vergleichbar mit dem Modell von Bosch oder Zeiss. Ein mehrstufiges Gremiumssystem (Stiftungsvorstand, ggf. Beirat) sichert Governance und strategische Steuerung, ohne in das operative Tagesgeschäft einzugreifen.
Was diese Stiftung besonders macht, ist nicht nur ihre Existenz, sondern der Moment ihrer Entstehung: Toni Meggle entschied sich ohne familiäre Nachfolger für die Stiftung. Die klassische Generationennachfolge – an Kinder oder Verwandte – kam nicht infrage. Stattdessen übergab er Verantwortung an eine Struktur, die über seine Person hinauswirkt.
Diese Entscheidung steht exemplarisch für eine wachsende Gruppe von Unternehmer:innen, die keine geeigneten Nachfolger finden, sich aber gleichzeitig gegen einen Unternehmensverkauf oder Private Equity stellen. Die Stiftung wird so zum Mittelweg zwischen Traditionsbewahrung und strukturellem Wandel.
Besonders bemerkenswert: Nur zwei Jahre nach der Stiftungslösung übernimmt Meggle die Rücker-Gruppe – ebenfalls ein Familienunternehmen, das nicht in eine Stiftung, sondern in einen Verkauf ging. Die Toni-Meggle-Stiftung ist damit nicht nur Verwalterin des Bestehenden, sondern strategischer Träger künftiger Expansion.
Diese Entwicklung widerlegt ein häufiges Vorurteil: dass Stiftungseigentum wachstumshemmend sei. Im Gegenteil – in der Kombination aus Langfristlogik, strategischer Freiheit und professioneller Governance kann die Stiftung durchaus als Akzelerator wirken. Voraussetzung: klare Satzung, starke Führung und langfristig ausgerichtete Finanzierung.
Die Toni-Meggle-Stiftung zeigt, wie ein Unternehmer sein Lebenswerk institutionalisieren kann, ohne seine Herkunft oder Werte zu verleugnen. Sie ist kein Denkmal, sondern ein funktionales Steuerungsmodell. Kein Rückzug, sondern eine aktive Entscheidung für Verantwortung – jenseits von Familie und Marktmechanismen.
Ob dieses Modell Vorbild für andere Unternehmen sein kann, hängt von vielen Faktoren ab: Reifegrad der Organisation, familiäre Situation, unternehmerisches Ethos. Doch klar ist: Die Stiftung ist längst keine Randlösung mehr, sondern eine der zentralen Denkfiguren in der modernen Nachfolgeplanung.
Die Toni-Meggle-Stiftung steht für eine stille, aber tiefgreifende Transformation im Mittelstand. Sie ersetzt den Erben durch Struktur, die Emotion durch Prinzipien, das Ego durch Institution. In einer Zeit wachsender Unsicherheiten bietet sie das, was viele Familienunternehmen suchen: Verlässlichkeit ohne Stillstand.