Klarheit statt Konflikt – Warum die Eigentümerstrategie der unterschätzte Erfolgsfaktor ist

In vielen Familienunternehmen wird der Blick auf die operative Führung geschärft: Wer wird CEO? Wer darf mitentscheiden? Welche Rolle übernimmt der Beirat? Doch oft bleibt eine entscheidende Ebene im Hintergrund – die Eigentümerfamilie selbst. Dabei ist es genau diese Ebene, die langfristig über Erfolg oder Scheitern entscheidet.

Die Eigentümerstrategie ist das oft unterschätzte Steuerungsinstrument im Familienunternehmen. Sie klärt nicht nur Rollen und Verantwortlichkeiten, sondern schafft die Grundlage für Frieden, Wachstum und Zukunftssicherung.

Dieser Beitrag zeigt, warum Eigentümerstrategien so wichtig sind, welche Konfliktfelder typisch sind, und wie ein systematisches Canvas-Modell Familienunternehmen dabei hilft, Klarheit zu schaffen.

Warum Familienunternehmen oft zu spät über Rollen und Verantwortung sprechen

In der ersten Generation ist die Welt meist noch überschaubar. Der Gründer führt, entscheidet und trägt das Risiko. Doch mit der Zeit wird aus dem Familienunternehmen ein Unternehmer*innen-Familienunternehmen. Mehr Menschen sind beteiligt, Interessen werden vielfältiger. Und genau hier beginnt das Problem.

Viele Familienunternehmen sprechen zu spät über zentrale Fragen:
• Wer darf was entscheiden?
• Wer vertritt die Eigentümer nach außen?
• Welche Erwartungen hat die Familie an das Unternehmen?
• Welche Rolle spielen stille Teilhaber oder Gesellschafter, die nicht operativ aktiv sind?

Die Folge: Es entstehen schleichende Konflikte. Mal ist es das Nebengeräusch beim Abendessen, mal der offene Streit in der Gesellschafterversammlung. Oft platzen solche Spannungen erst in Krisen auf – zum Beispiel, wenn ein externer Manager eingestellt wird oder der Verkauf eines Unternehmensbereichs zur Diskussion steht.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Wer früh über Verantwortung spricht, spart sich später viele Nerven.

Eine klare Eigentümerstrategie kann genau das leisten. Sie definiert die Spielregeln und sorgt dafür, dass operative Entscheidungen nicht immer mit der Familienlogik vermischt werden. Das schafft Sicherheit – für alle Beteiligten.

Die häufigsten Konfliktfelder in der Eigentümerrunde

Doch was genau sorgt eigentlich für Streit in der Eigentümerfamilie? Aus über 50 Projekten in Familienunternehmen lassen sich typische Konfliktmuster ableiten. Hier die wichtigsten:

1. Rollenunklarheit
Wer ist Eigentümer, wer ist Manager, wer ist Gesellschafter? Diese Rollen vermischen sich oft. Der Sohn ist Geschäftsführer, die Tochter sitzt im Beirat, der Onkel hat Anteile, aber keinen Zugang zu Informationen. Das sorgt für Spannungen.

Typische Folge:
Operative Themen werden auf der Eigentümerebene diskutiert – und umgekehrt.

2. Unklare Erwartungen an Rendite und Risiko
Einige Eigentümer wollen Wachstum und Reinvestition, andere wünschen sich regelmäßige Ausschüttungen. Manche denken in Generationen, andere in Quartalen. Ohne klare Abstimmung wird jeder Beschluss zur Zerreißprobe.

3. Kommunikationsprobleme
Nicht alle Eigentümer sind immer informiert. Wer nicht eingebunden wird, fühlt sich übergangen. Wer alles kommentiert, blockiert Entscheidungen. Ein geregelter Informationsfluss fehlt oft.

4. Nachfolge und Beteiligung
Wer darf Anteile übernehmen? Müssen neue Gesellschafter im Unternehmen mitarbeiten? Was passiert bei Scheidung oder Tod? Diese Fragen sind heikel – und werden gerne vertagt.

5. Werte- und Kulturkonflikte
Familienunternehmen tragen Werte weiter. Doch welche? Der Generationenkonflikt wird hier besonders sichtbar. Themen wie Nachhaltigkeit, Mitarbeitendenführung oder Digitalisierung werden schnell zur emotionalen Diskussion.

Das Eigentümerstrategie Canvas als Strukturhilfe

Um diese Konflikte zu vermeiden, braucht es Struktur. Ein geeignetes Werkzeug dafür ist das Eigentümerstrategie Canvas – ein praxisnahes Modell, das in Workshops oder Beratungsgesprächen eingesetzt wird.

Das Canvas funktioniert ähnlich wie das bekannte Business Model Canvas nach Osterwalder, aber mit Fokus auf die Eigentümerrolle. Es hilft, alle relevanten Felder auf einen Blick zu erfassen und gemeinsam zu bearbeiten.

Die acht Felder des Eigentümerstrategie Canvas:

Feld Leitfrage

  1. Familienverständnis -> Wer gehört dazu? Was verbindet uns?
  2. Eigentümerrollen -> Wer ist aktiv, passiv, strategisch beteiligt?
  3. Ziele und Vision -> Wo wollen wir als Familie mit dem Unternehmen hin?
  4. Renditeerwartung -> Was erwarten wir finanziell vom Unternehmen?
  5. Einflussnahme -> Wie und wann greifen wir als Eigentümer ein?
  6. Nachfolge & Beteiligung -> Wer kann Gesellschafter werden? Unter welchen Bedingungen?
  7. Governance & Gremien -> Welche Strukturen regeln Entscheidungen?
  8. Kommunikation & Konfliktlösung -> Wie sprechen wir miteinander? Was tun wir bei Streit?

Das Canvas schafft Klarheit, weil es alle relevanten Themen abdeckt – ohne in Detaildiskussionen zu versinken. Es ist ein Werkzeug für den Dialog, nicht für juristische Feinheiten.

Praxis-Tipp:
Visualisieren Sie das Canvas auf einem großen Poster und füllen Sie es gemeinsam mit der Eigentümerfamilie aus. Das senkt die Hemmschwelle und macht abstrakte Themen greifbar.

5 konkrete Schritte zur Einführung im eigenen Unternehmen

Viele Unternehmen fragen sich: Wie fangen wir an? Der Weg zur Eigentümerstrategie muss nicht kompliziert sein. Diese fünf Schritte helfen, den Prozess zu starten:

Schritt 1: Einstieg über ein Familiengespräch
Starten Sie nicht mit juristischen Verträgen, sondern mit einem offenen Gespräch:
Was verbindet uns als Familie? Was wollen wir erhalten? Wo gibt es Reibung?

Ein externer Moderator kann helfen, Emotionen zu kanalisieren und das Gespräch konstruktiv zu führen.

Schritt 2: Status quo klären
Bevor Sie das Canvas ausfüllen, sollten alle Beteiligten den aktuellen Zustand verstehen. Wer hat welche Rolle? Gibt es blinde Flecken? Welche Konflikte schwelen im Hintergrund?

Oft hilft hier ein vertrauliches Einzelgespräch mit jedem Familienmitglied.

Schritt 3: Eigentümerstrategie Canvas gemeinsam bearbeiten
Nehmen Sie sich einen Workshop-Tag Zeit. Arbeiten Sie alle acht Felder durch. Diskutieren Sie offen, aber mit klarem Zeitrahmen. Nicht jedes Detail muss sofort geklärt werden – es geht um den gemeinsamen Rahmen.

Schritt 4: Entscheidungen festhalten
Nach dem Workshop sollten die Ergebnisse schriftlich fixiert werden. Das kann in Form eines Protokolls, eines Familienkodex oder eines Gesellschafterhandbuchs geschehen.

Wichtig: Halten Sie nicht nur Ergebnisse fest, sondern auch die Prinzipien der Zusammenarbeit.

Schritt 5: Regelmäßige Überprüfung
Eine Eigentümerstrategie ist kein einmaliges Projekt, sondern ein Prozess. Überprüfen Sie Ihre Strategie jährlich – z. B. bei der Gesellschafterversammlung oder beim Familienrat.

Fragen Sie sich: Hat sich etwas verändert? Müssen wir nachsteuern?

Fallbeispiel: Wie Klarheit ein Turnaround-Projekt rettete

Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie wirksam eine Eigentümerstrategie sein kann – selbst in schwierigen Situationen.

Der Fall:
Ein traditionsreiches Familienunternehmen im Maschinenbau steht kurz vor der Insolvenz. Die Banken drängen auf einen Sanierungsplan. Das operative Management ist überfordert. Gleichzeitig streiten sich die Gesellschafter über die richtige Strategie:
• Die eine Seite will verkaufen.
• Die andere will sanieren und weitermachen.

Es herrscht Stillstand.

Die Lösung:
In einem moderierten Eigentümer-Workshop wurde das Eigentümerstrategie Canvas eingesetzt. Dabei stellte sich heraus:
• Alle Eigentümer wollen den Fortbestand der Marke sichern.
• Die Renditeerwartungen sind sehr unterschiedlich.
• Es gibt Unklarheiten, wer überhaupt Entscheidungsbefugnis hat.

Das Ergebnis war eine klare Aufteilung:
• Ein Sanierungsteam wurde beauftragt, den Turnaround zu begleiten.
• Zwei Gesellschafter übernahmen den Verhandlungsprozess mit den Banken.
• Eine Einigung über die Nachfolge wurde aufgeschoben, aber mit konkretem Zeitplan versehen.

Der Effekt:
Durch die Klarheit auf der Eigentümerebene konnte das Unternehmen den Turnaround schaffen. Heute ist es wieder profitabel – und die Familie spricht miteinander.

Fazit: Klarheit als Investition in den Familienfrieden

Die Eigentümerstrategie ist kein Selbstzweck. Sie ist ein pragmatisches Instrument, um Konflikte zu vermeiden, Wachstum zu sichern und den Familienfrieden zu erhalten.

Gerade im Mittelstand wird dieses Thema oft vernachlässigt – mit fatalen Folgen:
• Streit um Nachfolgefragen lähmt das operative Geschäft.
• Unklare Rollen führen zu verdeckten Machtspielen.
• Unterschiedliche Renditeerwartungen blockieren Investitionen.

Wer frühzeitig über die Eigentümerstrategie spricht, handelt vorausschauend. Denn Klarheit ist nicht nur eine Frage der Organisation – sie ist eine Investition in den Zusammenhalt der Familie.

Unser Rat:
Packen Sie es an. Holen Sie sich externe Unterstützung, wenn nötig. Aber warten Sie nicht auf den nächsten Streit, um Klarheit zu schaffen.

Der beste Moment, über Eigentümerstrategie zu sprechen, ist immer: jetzt.

agentur fenzl