Transformation ist kein Projekt. Sie ist ein Zustand. Und sie gelingt nur, wenn Organisationen über sich selbst sprechen können – offen, widersprüchlich, kontinuierlich. Genau das zeigt eine der umfassendsten Studien zur Veränderungsfähigkeit von Unternehmen, die das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Zusammenarbeit mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur veröffentlicht hat.
Was diese Studie auszeichnet, ist ihre Tiefe: Über 250.000 wissenschaftliche Publikationen, 31 Einzelkriterien, fünf zentrale Erfolgsfaktoren – algorithmisch analysiert, strukturiert und handhabbar gemacht. Der Clou: In allen fünf Feldern zeigt sich Kommunikation nicht als begleitendes Element – sondern als zentrale Steuerungsgröße. Nicht Technologie, nicht Struktur, nicht Planung entscheidet über Erfolg oder Scheitern – sondern die Art, wie gesprochen, zugehört, gefragt und erklärt wird.
Dieser Beitrag dekonstruiert die fünf Transformationsfelder der Studie mit Fokus auf Kommunikation – und zeigt, wie Familienunternehmen, Nachfolger:innen und Führungskräfte Wandel endlich aktiv steuern können.
Die Fraunhofer-Studie nennt fünf zentrale Hebel, die Transformation ermöglichen:
Was die Studie nicht explizit sagt, aber zwischen allen Zeilen steht: Ohne strategisch wirksame Kommunikation bleiben diese Felder leer. Kommunikation ist das Medium, durch das Transformation überhaupt erst sozial, kulturell und emotional verankert wird.
Anreize sind mehr als monetäre Belohnungen. Sie sind Signale. Und diese Signale müssen kommunikativ anschlussfähig sein. Die Studie nennt hier die Firma Würth als Vorbild: Dort wurde der klassische Außendienst nicht entwertet, sondern narrativ aufgewertet. Die Rolle wurde zum „Dirigenten“ erklärt – nicht zum Opfer der Digitalisierung. Damit wurden symbolische Anreize geschaffen, die Vertrauen in den Wandel ermöglichten.
Kommunikative Lehren:
• Jede Veränderung braucht eine eigene Sprache, die nicht trennt, sondern verbindet.
• Statt Incentives still einzuführen: Anreize sichtbar machen, erklären, mit Bedeutung versehen.
• Kommunikation ist selbst ein Anreiz: Wer beteiligt wird, bleibt dabei.
Familienunternehmer-Tipp:
Formulieren Sie ein Narrativ des Wandels – nicht nur als Folienstory, sondern als Gesprächsformat auf allen Ebenen.
Externe Partnerschaften gelten als Beschleuniger von Innovation. Doch was oft übersehen wird: Die kulturelle Anschlussfähigkeit dieser Partnerschaften entscheidet über deren Wirksamkeit. Das Beispiel EBM Papst zeigt, wie Start-ups nur dann wirksam werden, wenn es einen gemeinsamen strategischen Bezugsrahmen und eine Sprache des Vertrauens gibt.
Kommunikative Lehren:
• Externe Partner brauchen Einbindung, nicht nur Verträge.
• Wer die „Sprache der Alten“ nicht mit der „Sprache der Neuen“ verbindet, erzeugt innere Konflikte.
• Kommunikation ist Brückenbau – zwischen Systemen, Geschwindigkeiten, Logiken.
Familienunternehmer-Tipp:
Führen Sie Cross-Kommunikationsformate ein (z. B. Reverse Mentoring, Tandems mit Start-ups, Co-Präsentationen), die Vertrauen und wechselseitige Übersetzung ermöglichen.
Die Studie betont den Führungsstil als entscheidenden Faktor – aber ohne Rhetorik. Gute Führung zeigt sich nicht in Vision Statements, sondern in sprechfähiger Nähe, in aktiver Präsenz, in verbalisierten Spannungsfeldern. Das Beispiel Läpple ist eindrucksvoll: Dort wurde ein Coaching-Ansatz institutionalisiert, Führung zum Gesprächsraum gemacht. Nicht mehr: Anweisung. Sondern: Auseinandersetzung.
Kommunikative Lehren:
• Führung beginnt mit Zuhören. Und endet nicht bei der nächsten Ansage.
• Sprachliche Verlässlichkeit (Haltung, Klarheit, Selbstreflexion) ist entscheidender als Motivationsrhetorik.
• Konfliktfähigkeit ist keine Störung, sondern ein Führungsstil – wenn sie kommuniziert wird.
Familienunternehmer-Tipp:
Schulen Sie Ihre Führungskräfte nicht nur in Prozessen – sondern in reflexiver, dialogorientierter Kommunikation. Investieren Sie in Sprache.
Agilität wird oft als Strukturveränderung verstanden – in Wahrheit ist sie eine Kommunikationskultur. Spotify hat das längst verstanden: Die „Guilds“ und „Chapters“ sind weniger Einheiten als Dialogformate. Auch klassische Mittelständler können das übertragen – wenn sie bereit sind, bestehende Gesprächsräume zu öffnen.
Kommunikative Lehren:
• Agilität entsteht, wenn Informationsflüsse offen, bidirektional und transparent sind.
• Organisationsstruktur = Kommunikationsstruktur.
• Feedback muss institutionalisiert werden – nicht individualisiert.
Familienunternehmer-Tipp:
Starten Sie mit „Kommunikationslandkarten“: Wer spricht wann mit wem – und mit welchem Effekt? Wo gibt es weiße Flecken? Wo Sprachmonopole?
Technologie scheitert nicht an Technik – sondern an Sprachlosigkeit. Wer eine neue Software einführt, aber sie nicht als Geschichte erzählt, erzeugt Widerstand. Das Beispiel Schunk zeigt: Nur wenn Menschen in Beziehung zu Technik treten dürfen, entsteht Akzeptanz. Und diese Beziehung entsteht durch Sprache, Metaphern, Bilder – kurz: durch Kommunikation.
Kommunikative Lehren:
• Erklären reicht nicht. Man muss Technologie erzählen.
• Frühzeitige Partizipation = frühes Verständnis = spätere Unterstützung.
• Technik braucht Übersetzer:innen – nicht nur Entwickler:innen.
Familienunternehmer-Tipp:
Richten Sie einen „Storyroom Digitalisierung“ ein: Dort erzählen Mitarbeitende, wie neue Tools ihren Alltag verändern – in Sprache, Bildern, Anekdoten.
Aus kommunikativer Perspektive ergeben sich fünf konkrete Handlungsfelder:
Die Fraunhofer-Studie liefert beeindruckende empirische Evidenz. Aber ihre eigentliche Kraft liegt in der systemischen Klarheit: Transformation ist kein Zufall – sondern das Ergebnis integrierter, kommunikationsfähiger Systeme.
Für Familienunternehmen heißt das: Nicht die Technologie entscheidet. Nicht die Beratung. Nicht einmal die Strategie. Sondern die Fähigkeit, über all das zu sprechen – im richtigen Moment, mit den richtigen Menschen, auf die richtige Weise.
Oder anders gesagt: Wer Wandel gestalten will, muss zuhören können. Und sprechen lernen. Jeden Tag neu.
Quelle: Transformation wirksam steuern (2025), DOI: 10.24406/publica-5681