Wie Wandel wirklich gelingt – Kommunikation als Schlüssel zur Transformation

Was Familienunternehmen aus der Fraunhofer-Studie lernen können – und warum Schweigen keine Option mehr ist

1. Transformation scheitert nicht an Ideen – sondern am Gespräch

Transformation ist kein Projekt. Sie ist ein Zustand. Und sie gelingt nur, wenn Organisationen über sich selbst sprechen können – offen, widersprüchlich, kontinuierlich. Genau das zeigt eine der umfassendsten Studien zur Veränderungsfähigkeit von Unternehmen, die das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Zusammenarbeit mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur veröffentlicht hat.

Was diese Studie auszeichnet, ist ihre Tiefe: Über 250.000 wissenschaftliche Publikationen, 31 Einzelkriterien, fünf zentrale Erfolgsfaktoren – algorithmisch analysiert, strukturiert und handhabbar gemacht. Der Clou: In allen fünf Feldern zeigt sich Kommunikation nicht als begleitendes Element – sondern als zentrale Steuerungsgröße. Nicht Technologie, nicht Struktur, nicht Planung entscheidet über Erfolg oder Scheitern – sondern die Art, wie gesprochen, zugehört, gefragt und erklärt wird.

Dieser Beitrag dekonstruiert die fünf Transformationsfelder der Studie mit Fokus auf Kommunikation – und zeigt, wie Familienunternehmen, Nachfolger:innen und Führungskräfte Wandel endlich aktiv steuern können.

2. Das Modell: Fünf Felder, ein verbindendes Prinzip

Die Fraunhofer-Studie nennt fünf zentrale Hebel, die Transformation ermöglichen:

  1. Richtige Anreize
  2. Externe Partnerschaften
  3. Transformationsfördernde Führung
  4. Flexible Organisation
  5. Technologische Ermöglichung

Was die Studie nicht explizit sagt, aber zwischen allen Zeilen steht: Ohne strategisch wirksame Kommunikation bleiben diese Felder leer. Kommunikation ist das Medium, durch das Transformation überhaupt erst sozial, kulturell und emotional verankert wird.

3. Feldanalyse – mit Fokus Kommunikation

3.1 Anreize: Nicht nur Systeme, sondern Erzählungen

Anreize sind mehr als monetäre Belohnungen. Sie sind Signale. Und diese Signale müssen kommunikativ anschlussfähig sein. Die Studie nennt hier die Firma Würth als Vorbild: Dort wurde der klassische Außendienst nicht entwertet, sondern narrativ aufgewertet. Die Rolle wurde zum „Dirigenten“ erklärt – nicht zum Opfer der Digitalisierung. Damit wurden symbolische Anreize geschaffen, die Vertrauen in den Wandel ermöglichten.

Kommunikative Lehren:
• Jede Veränderung braucht eine eigene Sprache, die nicht trennt, sondern verbindet.
• Statt Incentives still einzuführen: Anreize sichtbar machen, erklären, mit Bedeutung versehen.
• Kommunikation ist selbst ein Anreiz: Wer beteiligt wird, bleibt dabei.

Familienunternehmer-Tipp:
Formulieren Sie ein Narrativ des Wandels – nicht nur als Folienstory, sondern als Gesprächsformat auf allen Ebenen.

3.2 Partnerschaften: Ohne geteilte Sprache keine Kooperation

Externe Partnerschaften gelten als Beschleuniger von Innovation. Doch was oft übersehen wird: Die kulturelle Anschlussfähigkeit dieser Partnerschaften entscheidet über deren Wirksamkeit. Das Beispiel EBM Papst zeigt, wie Start-ups nur dann wirksam werden, wenn es einen gemeinsamen strategischen Bezugsrahmen und eine Sprache des Vertrauens gibt.

Kommunikative Lehren:
• Externe Partner brauchen Einbindung, nicht nur Verträge.
• Wer die „Sprache der Alten“ nicht mit der „Sprache der Neuen“ verbindet, erzeugt innere Konflikte.
• Kommunikation ist Brückenbau – zwischen Systemen, Geschwindigkeiten, Logiken.

Familienunternehmer-Tipp:
Führen Sie Cross-Kommunikationsformate ein (z. B. Reverse Mentoring, Tandems mit Start-ups, Co-Präsentationen), die Vertrauen und wechselseitige Übersetzung ermöglichen.

3.3 Führung: Sprache als Führungsinstrument

Die Studie betont den Führungsstil als entscheidenden Faktor – aber ohne Rhetorik. Gute Führung zeigt sich nicht in Vision Statements, sondern in sprechfähiger Nähe, in aktiver Präsenz, in verbalisierten Spannungsfeldern. Das Beispiel Läpple ist eindrucksvoll: Dort wurde ein Coaching-Ansatz institutionalisiert, Führung zum Gesprächsraum gemacht. Nicht mehr: Anweisung. Sondern: Auseinandersetzung.

Kommunikative Lehren:
• Führung beginnt mit Zuhören. Und endet nicht bei der nächsten Ansage.
• Sprachliche Verlässlichkeit (Haltung, Klarheit, Selbstreflexion) ist entscheidender als Motivationsrhetorik.
• Konfliktfähigkeit ist keine Störung, sondern ein Führungsstil – wenn sie kommuniziert wird.

Familienunternehmer-Tipp:
Schulen Sie Ihre Führungskräfte nicht nur in Prozessen – sondern in reflexiver, dialogorientierter Kommunikation. Investieren Sie in Sprache.

3.4 Organisation: Struktur zeigt sich in Gesprächen

Agilität wird oft als Strukturveränderung verstanden – in Wahrheit ist sie eine Kommunikationskultur. Spotify hat das längst verstanden: Die „Guilds“ und „Chapters“ sind weniger Einheiten als Dialogformate. Auch klassische Mittelständler können das übertragen – wenn sie bereit sind, bestehende Gesprächsräume zu öffnen.

Kommunikative Lehren:
• Agilität entsteht, wenn Informationsflüsse offen, bidirektional und transparent sind.
• Organisationsstruktur = Kommunikationsstruktur.
• Feedback muss institutionalisiert werden – nicht individualisiert.

Familienunternehmer-Tipp:
Starten Sie mit „Kommunikationslandkarten“: Wer spricht wann mit wem – und mit welchem Effekt? Wo gibt es weiße Flecken? Wo Sprachmonopole?

3.5 Technologie: Erleben statt erklären

Technologie scheitert nicht an Technik – sondern an Sprachlosigkeit. Wer eine neue Software einführt, aber sie nicht als Geschichte erzählt, erzeugt Widerstand. Das Beispiel Schunk zeigt: Nur wenn Menschen in Beziehung zu Technik treten dürfen, entsteht Akzeptanz. Und diese Beziehung entsteht durch Sprache, Metaphern, Bilder – kurz: durch Kommunikation.

Kommunikative Lehren:
• Erklären reicht nicht. Man muss Technologie erzählen.
• Frühzeitige Partizipation = frühes Verständnis = spätere Unterstützung.
• Technik braucht Übersetzer:innen – nicht nur Entwickler:innen.

Familienunternehmer-Tipp:
Richten Sie einen „Storyroom Digitalisierung“ ein: Dort erzählen Mitarbeitende, wie neue Tools ihren Alltag verändern – in Sprache, Bildern, Anekdoten.

4. Was Familienunternehmen konkret tun können

Aus kommunikativer Perspektive ergeben sich fünf konkrete Handlungsfelder:

  1. Sprechfähige Strategie entwickeln:
    Nicht nur wohin Sie wollen, sondern wie Sie darüber sprechen. Entwickeln Sie ein semantisches Alignment – z. B. durch ein internes Kommunikations-Glossar.
  2. Symbolische Kommunikation ernst nehmen:
    Architektur, Sprache, Titel, Formate – alles spricht. Machen Sie unbewusste Signale sichtbar und bewusst steuerbar.
  3. Veränderung als Erzählung denken:
    Nutzen Sie Narrative als Vehikel. Der Übergang ist kein Projekt – sondern eine Geschichte, die Sinn stiftet.
  4. Reflexionsräume schaffen:
    Richten Sie strukturelle Formate für offene Kommunikation ein (z. B. Reflexionsrunden, Lessons Learned, Kommunikations-Reviews).
  5. Konfliktkultur als Kommunikationsform etablieren:
    Nicht jede Spannung ist ein Problem. Aber jede Verschwiegenheit ist eine vertane Chance.

5. Schlussgedanke: Kommunikation ist kein Soft Skill – sie ist Infrastruktur

Die Fraunhofer-Studie liefert beeindruckende empirische Evidenz. Aber ihre eigentliche Kraft liegt in der systemischen Klarheit: Transformation ist kein Zufall – sondern das Ergebnis integrierter, kommunikationsfähiger Systeme.

Für Familienunternehmen heißt das: Nicht die Technologie entscheidet. Nicht die Beratung. Nicht einmal die Strategie. Sondern die Fähigkeit, über all das zu sprechen – im richtigen Moment, mit den richtigen Menschen, auf die richtige Weise.

Oder anders gesagt: Wer Wandel gestalten will, muss zuhören können. Und sprechen lernen. Jeden Tag neu.


Quelle: Transformation wirksam steuern (2025), DOI: 10.24406/publica-5681

agentur fenzl